"Und dann kommt die Inspiration plötzlich von jemandem, der vor einem im Café steht."

Manchmal entstehen Ideen für ein Kostümbild auf der Straße

 

Veronica Silva Klug (Foto: Falk von Traubenberg)
Veronica Silva-Klug ist seit fünf Jahren Kostümbildnerin und arbeitet in der dritten Spielzeit am Mainfranken Theater. Hier hat sie eine Doppelfunktion als Kostümbildnerin und Kostümassistentin. Kerstin Schorpp hat mit ihr über die kleinen und großen Herausforderungen ihres Arbeitsalltags gesprochen.

Frau Silva-Klug, was ist denn der Unterschied zwischen Kostümassistenz und Kostümbild?
Silva-Klug: Als Kostümbildnerin trifft man Entscheidungen, macht Entwürfe und arbeitet direkt mit dem Regisseur. Als Assistentin hilft man dem Kostümbildner, man ist der Schlüssel zwischen Kunst und Werkstatt. Kostümbildner kommen meist als Gast, Assistenten sind oft am Haus engagiert und machen auch viel Organisatorisches.

Wenn Sie ein neues Stück bekommen, für das Sie die Kostüme auswählen sollen, wie gehen Sie da vor?
Silva-Klug: Als Erstes lese ich den Text des Stückes ein- oder zweimal durch. Schön ist auch immer, wenn man sich mit dem Dramaturgen zusammensetzen und darüber sprechen kann. Dann kommt die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und dem Bühnenbildner, wir erschaffen zusammen ein Konzept. Das Konzept wird in den Probenzeiten aber oft noch abgeändert.

Kam es schon einmal vor, dass ein Regisseur Ihnen so strikte Vorgaben gemacht hat, dass Sie gar nicht richtig kreativ werden konnten?
Silva-Klug: Es kommt nicht so oft vor, dass der Regisseur ganz genau sagt, was er will, zum Beispiel ein weißes Kleid und rote Schuhe. Aber manchmal bekommt man schon ein fertiges Konzept vorgelegt, ohne dass man selbst daran beteiligt wurde.

Dürfen die Schauspieler auch mitreden? Zum Beispiel, wenn ihnen die Kostüme, die sie anziehen sollen, nicht gefallen?
Silva-Klug: Für mich als Kostümbildnerin ist die Meinung der Schauspieler sehr wichtig. Sie müssen sich darin wohlfühlen – vor allem bei Schuhen. Außerdem sollen sie sich durch das Kostüm mit der Figur identifizieren. Aber es ist auch kein Wunschkonzert. Was man nicht machen darf, ist, das Kostüm abändern, nur weil derjenige es nicht schön findet.

Sie sind in Spanien aufgewachsen, wie kommt es, dass Sie an einem deutschen Theater arbeiten? 
Silva-Klug: Ich bin halb Deutsche, halb Spanierin. Ich bin in Spanien aufgewachsen und wollte damals auch unbedingt dort studieren. Ich wusste immer, dass ich Richtung Theater oder Film gehen möchte. Das gibt es in Spanien nicht als Studium, daher habe ich Mode studiert. Aber ich wusste auch, dass ich eine Zeit lang in Deutschland verbringen will. Vor allem, um mein Deutsch zu verbessern, und um die deutsche Kultur, die auch zu mir gehört, besser kennenzulernen. Zunächst war ich sechs Monate lang in Deutschland, eigentlich habe ich geplant, danach wieder nach Spanien zurückzukehren. Ich habe in Berlin ein Praktikum in der Modebranche gemacht, bei dem ich Leute kennengelernt habe, die am Theater arbeiteten. Dadurch bin ich an ein Praktikum in einem Großen Haus gekommen, am Berliner Ensemble: Die Leute dort sind erfahrene Theatermenschen, es ist groß und sehr professionell – es war toll! Während des Praktikums habe ich gemerkt: Das ist meins, das will ich machen.

Wie sind Sie dann von Berlin ans Mainfranken Theater gekommen? 
Silva-Klug: Danach habe ich in Berlin eine Stelle als Kostümassistentin bekommen. Ich wollte aber auch unbedingt selbst Kostüme machen, nur hatte ich dort leider nicht die Möglichkeit dazu, da Assistenz und Kostümbild strikt getrennt waren. Wenn man als Assistentin mal selbst ein Kostüm machen durfte, dann hatte man viele Vorgaben, man konnte nicht besonders kreativ sein. Dann bin ich auf die freie Stelle hier in Würzburg gestoßen. Andere Ausstatter haben mir erzählt, dass man in Würzburg als Assistentin für die Kammerbühne auch selbst Kostüme entwirft. Das hat mich dann überzeugt!

Veronica Silva-Klug entwarf in der aktuellen Spielzeit unter anderem die Kostüme zu An der Arche um Acht. (Foto: Falk von Traubenberg)
An welchen Produktionen arbeiten Sie gerade? 
Silva-Klug: Die nächste, für die ich selbst Kostüme mache, ist ein Jugendstück: Supergute Tage von Mark Haddon. Das wird eher modern, weniger experimentell. Ich muss Charaktere für die Figuren entwickeln, aber darf mit den Kostümen auch nicht schon zu viel erzählen, nicht zu sehr ablenken. Die Geschichte ist schon stark genug. Das macht mir aber auch Spaß: Die Persönlichkeit der Figuren einfach nur über die Kostüme zu zeigen.

Werden für jedes Stück neue Kostüme geschneidert oder bedienen Sie sich eher am Fundus? 
Silva-Klug: Ich arbeite meist mit einer Mischung: Manche Sachen lasse ich anfertigen, andere nehme ich aus dem Fundus. Manchmal kann man gar nichts aus dem Fundus nehmen, weil es einfach nichts Passendes gibt. Aber ich arbeite gerne mit dem Fundus, da kann ich mehr ausprobieren. Gerade bei modernen Stücken, wie sie oft in der Kammer gespielt werden, kann man ihn gut nutzen. Das hat Vor- und Nachteile: Der Vorteil ist, dass man Dinge gnadenlos wieder weglegen kann, wenn man sie doch nicht will. Wenn man etwas anfertigen lässt, dann steckt da viel Arbeit drin, da muss man sich sicher sein, was man will. Aber auch wenn man sich am Fundus bedient, muss man trotzdem in der Schneiderei Sachen verändern und anpassen lassen.

Woher bekommen Sie Inspiration für Ihre Kostüme? 
Silva-Klug: Viel aus Filmen und Modebüchern. Aber ich recherchiere auch gerne im Internet, zum Beispiel Stichwörter, die der Regisseur mir sagt. Und manchmal auch einfach von der Straße, wenn man Leute sieht und sich denkt: „Ja das ist es doch, sowas wollen wir zeigen.“ Und dann kommt die Inspiration plötzlich von jemandem, der vor einem im Café steht.

Wieviel Zeit haben Sie, um die Kostüme zu entwickeln? 
Silva-Klug: Es gibt vor jedem Stück sechs Wochen Probenzeit, in dieser Zeit entwickle ich auch die Kostüme. Ich weiß schon davor, dass ich ein Stück mache, die Besprechung mit dem Regisseur erfolgt auch schon früher. Aber wirklich los geht’s sechs Wochen vor der Premiere.
  
Wie stressig ist der Beruf? Schaffen Sie es problemlos, innerhalb der sechs Wochen die Kostüme auszuwählen? 
Silva-Klug: Eigentlich sind sechs Wochen viel Zeit, man kriegt es schon hin. Es ist trotzdem stressig, vor allem in der Schlussphase kommt Druck von allen Seiten. Man weiß, dass man sein Ziel erreichen muss, weil bald die Endproben kommen. Aber es ist unterschiedlich: Es gibt Produktionen, bei denen alles läuft, wie man es sich vorstellt. Bei anderen Produktionen können einen viele Sachen stressen, weil ganz viele Dinge abgeändert werden müssen oder es Probleme zwischen Regie und Schauspielern gibt.

Was machen Sie während der Vorstellung? 
Silva-Klug: Ab der Premiere habe ich eigentlich nichts mehr mit der Produktion zu tun. Es kann sein, dass es Umbesetzungen gibt, dann müssen die Kostüme manchmal abgeändert werden. Aber als Kostümbildner ist man nicht mehr in den Vorstellungen. Der kreative Verlauf ist mit der Premiere beendet. Die Ankleider bereiten die Vorstellungen vor. Sie hängen die Kleidung in die Garderoben, waschen sie und helfen den Schauspielern beim Umziehen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Kostümen fürs Theater und Kostümen, die für Filme oder Videos angefertigt werden? 
Silva-Klug: Der größte Unterschied ist, dass man im Theater nicht nur eine Vorstellung hat. Hier laufen die Vorstellungen normalerweise 11 bis 18 Mal, aber es gibt auch Häuser, wo die Vorstellungen jahrelang laufen. Die Kleidung muss haltbar und auch waschbar sein: Wenn auf der Bühne etwas mit Blut oder mit Essen passiert, muss das danach wieder rausgehen. Beim Film wird eben gedreht und danach war‘s das. Deshalb arbeiten Kostümbildner beim Film eher mit Ausleihen. Das geht am Theater nicht so gut, denn man braucht die Sachen sehr lange, und es kann sein, dass sie kaputt gehen oder geändert werden müssen.

Ensemble-Szene aus Malte Kreutzfeldts Inszenierung Krieg und Frieden mit Kostümen von Veronica Silva-Klug.          (Foto: Falk von Traubenberg)
Haben Sie auch schonmal historische Kostüme entworfen, zum Beispiel mit Rüschen oder Materialien, die man heutzutage gar nicht mehr benutzt? 
Silva-Klug: Meine einzige Produktion mit historischem Stoff war die Bühnenfassung von Tolstois Krieg und Frieden, in der vergangenen Spielzeit im großen Haus. Wobei ich das auch eher modern gelöst habe. So etwas wie Rokokokostüme habe ich noch nicht gemacht, nein.

Für welches Stück würden Sie besonders gerne einmal Kostüme entwerfen? 
Silva-Klug: Das ist eine schwierige Frage. Ich muss sagen, ich liebe Kindertheater. Aber da kann ich auch nicht sagen, welches Stück ich am liebsten machen würde. Ich würde gerne mal für ein Musical Kostüme entwerfen, zum Beispiel für Chicago.

Welche Produktion hier am Mainfranken Theater war bisher die größte Herausforderung, was die Kostüme anging? 
Silva-Klug: Das war Krieg und Frieden.

Warum? 
Silva-Klug: Weil das mein erstes Stück im Großen Haus war. Das kam sehr überraschend, es war nicht geplant, dass ich das mache, aber ich war natürlich sehr glücklich damit. Es war eine aufwändige Inszenierung mit vielen Schauspielern und alle stellten mehr als eine Figur dar und mussten sich ganz schnell umziehen.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Silva-Klug: Jetzt, nachdem ich fünf Jahre lang assistiert habe, habe ich Lust, freischaffend zu arbeiten. Das heißt, man macht nur Kostümbild. Wenn man eine Assistenz übernimmt, dann nur als Gast. Das bedeutet, viel zu reisen und viele Kontakte zu knüpfen. Das ist kein einfacher Weg. Am Mainfranken Theater bin ich sicher, denn ich habe eine feste Stelle. Ich weiß, was nächsten Monat passiert. Das ist freiberuflich nicht so, aber ich will es gerne ausprobieren.


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