Liebe unter Kronleuchter und Lichterkette

Premiere: Romeo und Julia im Großen Haus


























William Shakespeares Tragödie Romeo und Julia hatte am Samstag in einer opulenten Inszenierung von Antje Thoms am Mainfranken Theater Premiere. Das Publikum zeigte sich gespalten und reagierte mit Jubel und Buh-Rufen. 

Eine Kritik von Josephine Neubert

Ein „Master of the Dead“-Graffiti, der Duft von Kerzen und eine prachtvoll, viktorianisch gekleidete Dame (Maria Brendel als Lady Montague) – eine unheimliche Atmosphäre enthüllt der Vorhang auf der Bühne des Großen Hauses. Moderne Elemente vermischen sich mit zeitgenössischen und bilden Konventionsbrüche aus Alt und Neu. Die Vorstellungen von Liebe stehen im Wandel der Zeit, sowohl zu Zeiten englischer Renaissance, als auch heute. Und die leidenschaftliche, weltbekannte Liebesgeschichte von Romeo Montague (Daniel Ratthei) und Julia Capulet (Theresa Palfi) entpuppt sich als Exempel, welches von Benvolio (Michael Meichßner) im Fundus des Theaters wachgerufen wird.

Es ist eigentlich nur ein heterosexuelles Paar in seiner ersten Liebeserfahrung, doch die Besonderheit liegt in der Darstellung einer dreifachen Präsenz: Der Zuschauer erlebt die Entstehung der Liebe, die wechselseitige Erfüllung und das Fehlen an Vorerfahrung. Nur eine Schwärmerei für Rosalinde, die allerdings „nicht mal die Beine für Geld breit macht“, ging Romeos Liebe zu Julia voraus. Shakespeare war ein Dramatiker für den die alte, antike Leitvorstellung der Perfektionsliebe von moderner Liebesperfektion abgelöst wurde. Liebe hat nicht mehr das Ziel etwas Vollkommenes zu erreichen, sondern sich durch sich selbst zu nähren - Maßlosigkeit zur Regel zu erklären. Die Liebesgeschichte von Romeo und Julia entwickelt sich aus einer imaginären Perfektionsliebe zu Rosalinde, zu einer Liebesperfektion mit Julia. Das bedeutet nicht nur zur Erotik und Sexualität, sondern auch zu einer neuen Mystik von Liebe.

In der Inszenierung findet sich diese Entwicklung metaphorisch im Bühnenbild: Kronleuchter- und Lichterketten-Romantik zeigt die Liebe im Wandel und setzt einen interessanten Bezug zur Jetzt-Zeit. Masken tragende Tänzer bewegen sich im Schwarzlicht zu elektronischer Musik. Nur Romeo und Julia sind maskenlos, entdecken und finden sich. Von einer vulgären Intertextualität lebt die Sprache des Stückes. Antje Thoms spielt damit, umgangssprachlich wie originalgetreu. Shakespeares sprachliche Virtuosität bleibt da allerdings auf der Strecke.

Bunt und grell werden wir mit der Bühne konfrontiert. Die Amme, fantastisch gespielt von Alexander Hetterle, rast mit einem Fahrrad über die Bühne. Randale, Getöse, Liebelei und Anstößigkeit verbinden sich und bringen eine neue, undurchschaubare Ästhetik hervor. Der verliebte Romeo lässt sich auch von der Philosophie nicht mehr ablenken, die „schafft keine Julia herbei“ und es kommt zu einer Liebesnacht. Im unschuldig weiß gestalteten Schlafzimmer gönnen sich die beiden während des Nachtigall-Dialogs eine Zigarette danach. Doch Julia soll Paris (Sven Mattke) heiraten, den „Mann wie aus dem Katalog“- mit gegeltem Scheitel und Blumenstrauß. Die Gesellschaft und besonders Julias Vater Capulet (Timo Ben Schöfer) dulden keine Verbindung zwischen den verfeindeten Familien Montague und Capulet. Der Konflikt zwischen Julia und ihrem Vater ist ein Wechselbad aus Gefühlen, in dem Timo Ben Schöfer mit emotionaler Vielseitigkeit überzeugt. Die Amme reagiert mit einem „Ich brauch’n Schnapps!“

Doch warum folgt nun eine Videoprojektion? In einer Fülle an Mitteln verliert die Inszenierung ihre undurchschaubare Harmonie. Der Einbezug eines weiteren Mediums hat das drehbare, detailreiche Bühnenbild von Florian Barth nicht nötig. Es begeistert mit Verspieltheit und Jugendlichkeit, lässt den Bezug zu projizierten Bildern allerdings nicht erkennen. In Kombination mit Fred Kerkmanns musikalischer Gestaltung basierend auf Passagen aus Shakespeares Stück und späteren Sonetten ergibt es eine imposante Spannung, mit viel Humor und wenig Tragik. Applaus und Buhrufe bestätigen die ambivalente Aufnahme der vielmals bearbeiteten Weltliteratur in der Inszenierung von Antje Thoms.

Weitere Termine: 
1., 3. und 8. Juni | 19.30 Uhr
9. Juni | 11 Uhr
12., 18., 24., 26. und 28. Juni, 3., 9., 14., 20. und 22. Juli | 19.30 Uhr

Mehr Informationen zum Stück auf der Seite des Mainfranken Theaters.

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