"Erst ABC-, dann Amokschütze"

Uraufführung: Terrorkind in den Kammerspielen
"Harter Tobak": Claudia Kraus und Christina Theresa Motsch in Terrorkind. (Foto: Gabriela Knoch)



























Mit seinem Stück Terrorkind gewann Karsten Laske in der vergangenen Spielzeit den Leonhard-Frank-Preis. Die Uraufführung am 26. Mai in den Kammerspielen in der Regie von Tim Stefaniak kommt trotz Minimalismus überzogen und skurril daher und weiß zu verstören. 

Eine Kritik von Ulrike Meyer

Klinisch leeres Bühnenbild, OP-grünes Kostüm, Vorhang, ein Waschbecken. Eine alleinerziehende Mutter, OP-Schwester, ihr Körper "ein diensthabendes System", ein fünfjähriger Sohn, ihre "Kröte", ihr "Klotz am Bein". Spätestens nachdem sie unfreiwillig Zeugin eines Amoklaufs wird, beginnt die Mutter, in ihrem Kind einen Terroristen zu sehen.

Terrorkind nimmt das Publikum mit auf eine diffuse Reise in ihr Inneres, durch Spinnereien und Fantasien, die sich bis ins absurd Wahnhafte steigern. Karsten Laske lässt hier eine gesellschaftliche Problematik zu einer ganz persönlichen werden. Er entwirft eine Figur, die in sich selbst zerrüttelt ist, Bedürfnisse hat, denen sie nicht nachgeht und vor allem aber einen Zwang zur Ordnung, die ihr Sohn Tarek immer wieder umwirft. "Aufstehen, Zähne putzen, Kakao trinken, Jacke an", um pünktlich zur Bahn zu kommen, funktioniert eben leider nicht immer ohne Zwischenfälle.

Laske greift eine Problematik auf, die die Gesellschaft beschäftigt. Es geht um Terror, Syrien, vielleicht um die menschliche Psyche, vor allem aber um Angst. Mit diversen Wortspielen, Metaphern und Wiederholungen gespickt, ist es ein raffiniertes (Sprech)-Stück, das es schafft, den ein oder anderen Zuschauer zu verstören.

In der Regie von Tim Stefaniak, der in der aktuellen Spielzeit bereits die FreitagNacht-Reihe am Mainfranken Theater inszenierte, erwacht das Stück zum Leben. Raffiniert besetzt er die Mutter mit zwei Schauspielerinnen, Claudia Kraus und Christina Theresa Motsch, deren Leistung, besonders zum Ende hin, überzeugt. Sprechchor und Monolog wechseln sich ab, gymnastisch anmutende Elemente und fast schon wahnwitzige Bewegungsabläufe halten den Zuschauer in ihrem Bann. Die atmosphärische Musik von Jens Mahlstedt erinnert stellenweise an den altbekannten ARD-Tatort und trotzdem funktioniert sie in Kombination mit erschreckend fesselnden Lichteffekten.

Mit wenig Handlung und viel Dramatik ist Terrorkind nicht für jeden etwas. Im Publikum sind stellenweise Lacher zu vernehmen, Bestürzung, andererseits Stirnrunzeln, Skepsis. "Harter Tobak" beschreibt einer der Zuschauer das Erlebte.


Weitere Termine:
5., 11., 18. und 28. Juni, 6. und 13. Juli | 20 Uhr

Mehr Informationen zum Stück auf der Seite des Mainfranken Theaters.

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