"Niemand" begeistert die vollbesetzten Kammerspiele

Junger Klassiker - Odyssee Short Cuts
Claudia Kraus und Sven Mattke beweisen ihre Stimmgewalt in Odyssee Short Cuts. (Foto: Nico Manger)

Eine gekürzte Fassung von Homers Odyssee dargestellt in einer schlichten, aber gut durchdachten Inszenierung von Nele Neitzke.

Eine Kritik von Anna Sophia Merwald

Ein würfelförmiges Metallgerüst. Ein an einem Holzgestell befestigtes Steuerrad. Sand. Kunstblut. Ein Bottich voll Wasser. Zwei Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen. Mit einem auf das Wesentliche reduzierten Bühnenbild (Anika Wieners) und präzise eingesetzten Requisiten beweist Regisseurin Nele Neitzke, dass es nicht viel braucht, um die Geschichte der Irrfahrt Odysseus‘ zum Leben zu erwecken. Im Gegensatz zu Homers Werk wird die Handlung hier nicht als Rückblende erzählt, sondern wir dürfen live dabei sein, wenn sich Odysseus auf seiner Heimfahrt einer Prüfung nach der anderen stellen muss.

So begegnen ihm und seinen Gefährten auf der 10 Jahre andauernden Irrfahrt zu seiner Frau Penelope und seinem Sohn Telemach nach Ithaka zum Beispiel einäugige Zyklopen, Menschenfresser, Windgötter und Sirenen. Alle dargestellt von nur zwei Schauspielern, die den vielen Rollen dennoch gerecht werden: Odysseus (Sven Mattke) etwa überlistet den Zyklopen Polyphem (Claudia Kraus), indem er sich mit dem Namen „Niemand“ vorstellt. Seine Gefährten stechen dem Riesen dann das Auge aus, woraufhin er mit schmerzverzerrtem Gesicht aufheult: Niemand hat mich geblendet. Niemand hat versucht, mich zu ermorden. Um dem Zyklopen nun endgültig zu entkommen, hangelt sich Odysseus-Darsteller Sven Mattke mit vollem Körpereinsatz durch die von dem Metallkubus dargestellte Höhle des Zyklopen. Dadurch werden die Leerräume des Würfels mit besonderer Dynamik und Spannung ausgefüllt, die über die ganze Aufführung hin bestehen bleibt und abermals durch die wechselnden Rollenverhältnisse verstärkt wird: Dabei übernehmen Sven Mattke und Claudia Kraus meist gemeinsam den Erzählerpart, wenn er nicht gerade Odysseus und sie nicht gerade eine der restlichen Figuren spielt. Beide beweisen hier Ausdrucksstärke und Stimmgewalt, die ihre jeweiligen Rollen unterstreichen.

Das alles und noch viel mehr ist in 60 Minuten in den fast immer ausverkaufen Kammerspielen zu sehen. Wer also einen der heiß begehrten Plätze zu einer Vorstellung von Odyssee Short Cuts ergattern will, sollte sich schnellstmöglich um Karten bemühen. 

Besuchte Vorstellung: 5. November
Weitere Termine: 25. November | 2. und 12. Dezember | 10., 19., 21. und 26. Januar | 3., 13. und 27. Februar | 3., 9. und 16. März | jeweils 20 Uhr
Silvestervorstellung: 31. Dezember | 19.30 Uhr 

Kerstin ist anderer Meinung:
Eine Odyssee in 70 Minuten

Mehr zum Stück auf der Seite des Mainfranken Theaters.

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