Sie singen um ihr Leben

Zum letzten Mal: Frontgarderobe in den Kammerspielen
Rose (Anja Gutgesell) und Rachel (Barbara Schöller) geben Frontschlager zum Besten. (Foto: Gabriela Knoch)


Eine Revue, die einerseits zum Lachen, andererseits zum Nachdenken bewegt und vor allem nicht die Augen vor der Grausamkeit unserer Vergangenheit verschließt. Im Gegenteil, in Jürgen R. Webers Frontgarderobe treffen den Zuschauer die Folgen der Kriegszeit in all ihrer Härte und Wucht. Er erlebt hautnah mit, was der Krieg mit Menschen macht und wie schnell auf einmal alles vorbei sein kann.

Eine Kritik von Anna Sophia Merwald

„Hitler has only got one ball – The other is in the Albert Hall“ singen die jüdischen Schwestern, Rose und Rachel auf die Melodie des „Colonel Bogey March“ von Kennetz J. Alfords. Mit Hitlerbart unter der Nase werfen sie mal ihre Beine und dann wieder Hitlers „Ball“ in die Höhe. Stimmlich gut auf einander abgestimmt harmonieren auf der Bühne Mezzosopranistin Barbara Schöller (Rachel) und Sopranistin Anja Gutgesell (Rose): Als Duo begeistern sie mit schmissigen Gassenhauern von Lale Andersen, Zarah Leander und Marlene Dietrich und schaffen es damit, eine Bandbreite unterschiedlicher Lieder einer gut durchmischten Zuhörerschaft nahezubringen.

Zusammen sind die Schwestern vor Beginn der NS-Zeit von Deutschland nach Amerika ausgewandert und unterhalten die US-Truppen fortan mit Charme und Witz. Szenen, die belustigen, gibt es viele, doch spielen sich diese alle vor einem ernsten Hintergrund ab: Der Zweite Weltkrieg tobt und verschont auch die Geschwister nicht. Bei einem Angriff der Deutschen sind sie dann nämlich gezwungen die Seiten zu wechseln. Womöglich genauso plötzlich wie für die beiden Schwestern kommt dieser Wendepunkt der Handlung für den Zuschauer, da in Webers Inszenierung zuvor kaum die Schattenseiten des Krieges thematisiert wurden.

Von nun an sind die Frauen gezwungen – mit dem Obersturmbandführer am Flügel – Marschlieder der Waffen-SS zum Besten zu geben: Die bisherigen lockeren, schwungvollen Choreografien passen nicht mehr zu den streng strukturierten Marschliedern der Nazis. Dass dieser erhebliche Einschnitt in ihr Leben auch an den beiden Sängerinnen nicht spurlos vorbeigeht, zeigt sich nach und nach. Die Stimmung zwischen den Schwestern wird angespannter - bis Rachel schließlich keinen anderen Ausweg mehr weiß und zur Waffe greift.

Besuchte Vorstellung: 14. November 2015
Anstatt wie sonst in den Kammerspielen fand diese Vorstellung im Großen Haus statt: Die zwei Darstellerinnen wirkten jedoch keineswegs verloren auf der dortigen Bühne, sondern nutzten sie zu ihrem Vorteil aus.

Letzte Vorstellung: 11. Februar 2016 | 20 Uhr | Kammerspiele

Mehr zum Stück auf der Seite des Mainfranken Theaters.

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